Arbeitsorientierte Grundbildung

Eine Frau und ein Mann stehen in einer Gastronomieküche und lesen einen Bon © AdobeStock / Halfpoint

Das BMBF legt seit Beginn der AlphaDekade einen Schwerpunkt auf die Förderung von Entwicklungs- und Transfervorhaben im Bereich der arbeitsorientierten Alphabetisierung und Grundbildung (AoG), da die Arbeitswelt einen guten Zugang zur Zielgruppe ermöglicht. Gering literalisierte Erwachsene sind mehrheitlich in den Arbeitsmarkt integriert. Laut LEO-Studie 2018 sind mehr als 60 Prozent der be­troffenen Erwachsenen erwerbstätig.

Sie üben häufig einfache Tätigkeiten aus, die keine Ausbildung erfordern. Nicht zuletzt durch die Digitalisierung setzen jedoch auch Helfertätigkeiten in wachsen­dem Umfang Grundkompetenzen voraus. Damit steigt auch der Bedarf an Grundbildungsmaßnah­men für die Zielgruppe der gering literalisierten Beschäftigten. Denn ohne ausreichende Schrift­sprachkenntnisse und Grundkompetenzen ist die Teilnahme an einer beruflichen Weiterqualifizie­rung oft nicht möglich. Grundbildung ist also eine wesentliche Voraussetzung für die Qualifizierungs- und Beschäftigungsfähigkeit dieser Zielgruppe.

Strukturelle Verankerung noch nicht erreicht

Rund die Hälfte der befragten Unternehmen gaben im Rahmen einer Befragung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) aus dem Jahr 2022 an, dass sie davon ausgehen, dass die Anforderungen an geringqualifizierte Beschäftigte in den kommen­den fünf Jahren weiter ansteigen werden. Beschäftigte sind insbesondere im Zuge der Digitalisierung nicht nur mit neuen inhaltlichen Anforderungen in Form von IT-Kompetenzen konfrontiert.

Es wird auch ein höherer Anspruch an die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit sowie an die Selbst­ständigkeit und Planungskompetenz gestellt, da sich Arbeitsweise und Zusammenarbeit im Unternehmen verändern.

Gleichwohl bleibt die Zahl der Betriebe, die arbeitsorientierte Grundbildungsangebote durchführen, auch unter solchen mit einem hohen Anteil an geringqualifizierten Beschäftigten niedrig. Die Befragung bestätigt, dass vorhan­dene arbeitsmarktpolitische Förderinstrumente bei vielen Unternehmen noch nicht ausreichend bekannt sind oder von ihnen für die Weiterbildung Geringqualifizierter aus anderen Gründen nicht genutzt werden. Eine breite und strukturelle Verankerung der arbeitsorientierten Alphabetisierung und Grundbildung in der beruflichen Weiterbildung und in der Arbeitsförderung ist daher noch nicht erreicht.  

Förderung des BMBF

Das BMBF fokussiert mit seinem Förderschwerpunkt die Entwicklung und modellhafte Erprobung innovativer Konzepte, Modelle und Maßnahmen im Bereich der arbeitsorien­tierten Alphabetisierung und Grundbildung.

Schwerpunkte der Förderung sind insbesondere die Wei­terentwicklung und Stärkung von regionalen, überregionalen oder branchenbezogenen Beratungs- und Verweisstrukturen, der Ausbau des arbeitsbezogenen Alphabetisierungs- und Grundbildungsan­gebots sowie die Qualitätsentwicklung in Lehr- und Lernprozessen.

In den Projekten steht zudem die Entwicklung und Erprobung von digitalen Lernangeboten im Fokus, insbesondere für Branchen mit einem hohen Anteil an gering literalisierten Beschäftigten im Helfer­bereich wie in der Baubranche oder im Bereich Logistik, Hotel- und Gaststätten sowie der Pflege. Ent­wickelt und erprobt werden Lernplattformen mit berufs- und branchenspezifischen Lernmodulen, mobile Apps sowie Blended-Learning-Konzepte, die flexibel einsetzbar sind und sich an den individu­ellen Lernbedarfen orientieren. Sie richten sich an gering literalisierte Beschäftigte ebenso wie Ar­beitssuchende, Auszubildende und junge Erwachsene am Übergang Schule – Beruf. Damit einherge­hend hat sich auch der Bedarf an Schulungen für Lehrkräfte zur Nutzung dieser digitalen Angebote deutlich erhöht.

Grundbildung in der Pflege

Erfahrungsberichte aus den Pflegeeinrichtungen legen nahe, dass eine relevante Anzahl von Pflegehelferinnen und Pflegehelfern nicht ausreichend lesen, schreiben oder rechnen kann. Auch bei grundlegenden IT-Kenntnissen oder Fähigkeiten im sozialen Umgang gibt es demnach Bildungsbedarf.

Zudem wünschen sich viele Einrichtungen, dass mehr Hilfskräfte als bisher eine reguläre Pflegeausbildung beginnen und sich zu examinierten Fachkräften qualifizieren. Das BMBF unterstützt im Rahmen der AlphaDekade Praxisprojekte, die Grundbildung mit Pflegethemen verbinden. Diese Projekte entwickeln Curricula für die Pflegehelferausbildung von Menschen mit Grundbildungsbedarf, erstellen Lehrmaterialien und erproben Lern-Apps oder erstellen maßgeschneiderte Angebote für eine grundbildungsbezogene Weiterbildung in den Einrichtungen selbst.

Im Zentrum des Projekts INA-Pflege PLUS steht beispielsweise der Aufbau, die Weiterentwicklung und Verstetigung eines bundesweit agierenden Netzwerkes im Fokus, in dem Akteurinnen und Akteure auf unterschiedlichen Ebenen der Pflege(-hilfe) kooperieren und einen nachhaltigen und tragfähigen Beitrag zur strukturellen Verankerung von Grundbildung in der Pflege(-hilfe) leisten. Damit wird die Qualität von Lehr- und Lernprozessen in Qualifizierungsangeboten und in (Aus-)Bildungsformen im Pflegebereich erhöht.

Nationale Weiterbildungsstrategie

Fragen der arbeitsorientierten Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener werden auch in der Nationalen Weiterbildungsstrategie (NWS) aufgegriffen, die das BMBF und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gemeinsam umsetzen. Ein wesentliches Ziel der NWS ist es, die Betei­ligung von gering qualifizierten Personen an Weiterbildung erheblich zu erhöhen sowie den Erwerb von Grundkompetenzen stärker zu fördern. Der Anteil gering literalisierter Erwerbstätiger unter den gering qualifizierten Erwachsenen liegt bei rund 25 Prozent.

Auf der Grundlage des Umsetzungsberichtes zur Nationalen Weiterbildungsstrategie  und der Ergeb­nisse der Diskussion im Themenlabor „Alphabetisierung und Verbesserung der Grundkompetenzen“  haben BMBF und BMAS gemeinsam mit den NWS-Partnern eine neue Arbeitsgruppe „Alphabetisie­rung und Grundkompetenzen“ eingesetzt, in der auch erfahrene Praktikerinnen und Praktiker aus erfolgreichen Projekten sowie die Wissenschaft vertreten sind. Die Arbeitsgruppe soll un­ter Berücksichtigung der Praxiserfahrungen Handlungsempfehlungen insbesondere zu folgenden Fra­gen herausarbeiten:

  • Welche Potenziale haben bereits vorhandene Instrumente, um arbeitsorientiert Alphabetisierung und Grundkompetenzen zu fördern?
  • Wie könnten diese noch stärker genutzt wer­den?
  • Welche erfolgreichen, bisher temporären Projekte zur Alphabetisierung und Grundbildung soll­ten verstetigt werden?
  • Wie könnten Bildungs- und Beratungsangebote (z.B. für gering literalisierte Erwachsene und Un­ternehmen) inhaltlich und strukturell weiterentwickelt und ausgebaut werden?

 Erfahrungen und Er­gebnisse der vom BMBF geförderten AlphaDekade-Projekten fließen in die Diskussion um die Umset­zung der Nationalen Weiterbildungsstrategie ein.