Lebensweltorientierte Alphabetisierung und Grundbildung

Eine Frau im Rollstuhl unterschreibt ein Dokument, daneben sitzen ein Mann und eine Frau © AdobeStock / Courtney H / peopleimages.com

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert lebensweltlich orientierte Entwicklungsvorhaben für Alphabetisierung und Grundbildung. Die geförderten Maßnahmen sollen bewirken, dass Tabus und Zugangsbarrieren zu Grundbildungsangeboten abgebaut und mehr Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten zur Teilnahme an Unterstützungsangeboten motiviert werden.

Die Mehrheit der 6,2 Millionen gering literalisierten Erwachsenen ist laut der LEO-Studie 2018 der Universität Hamburg nicht vom Arbeitsmarkt oder Sozialleben ausgeschlossen, sondern in den ersten Arbeitsmarkt und in familiäre Strukturen eingebunden. Jedoch identifizierte die Studie auch Bereiche des alltäglichen Lebens, in denen gering literalisierte Erwachsene in ihrer gesellschaftlichen, kulturellen und ökonomischen Teilhabe eingeschränkt sind.

Alltag und soziales Umfeld steht im Vordergrund

Trotz des gestiegenen Bewusstseins und Angebots im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung in den letzten Jahren nehmen nur wenige gering literalisierte Erwachsene an Lernangeboten teil. Andererseits lässt sich mangelndes Interesse nicht zur Erklärung der Nichtteilnahme heranziehen. Untersuchungen zeigen, dass der Besuch von Kursen für bildungsferne Menschen eine hohe Hürde darstellt. Diese wird erst mit großem Leidensdruck in Angriff genommen. Eine eher ungünstige Rolle spielt auch die pädagogische Kultur in Bildungseinrichtungen, die von den Lebenswelten der Zielgruppe oft entfernt ist.

Der vom BMBF geförderte Schwerpunkt stellt den Alltag und das soziale Umfeld der Menschen in den Vordergrund, denn Maßnahmen der Alphabetisierung und Grundbildung sind vor allem dann wirkungsvoll, wenn sie die Interessen und Bedürfnisse der Adressaten ins Visier nehmen. Häufig gelingt dies, wenn für die Zielgruppenansprache das gewohnte soziale Umfeld sowie alltagsbezogene Themen gewählt werden.

Von der Entwicklung und Erprobung zum Transfer

In der ersten Phase des Förderschwerpunkts (2018 – 2021) entwickelten und erprobten Projekte niedrigschwellige Lern- und Unterstützungsangebote, die sich an den Bedürfnissen und Alltagsthemen der Teilnehmenden wie z.B. Kindererziehung, gesunde Ernährung, Umgang mit Geld und Behördengänge orientieren. Bildungseinrichtungen kooperierten mit sozialräumlichen Partnern, dazu gehören u.a. soziale Beratungsstellen, Familienzentren und Verbraucherzentralen. Mitarbeitende dieser Einrichtungen wurden für das Thema der Alphabetisierung und Grundbildung sensibilisiert und für die Ansprache von Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten geschult. Neue Lernorte im Sozialraum wurden erprobt und Konzepte und Materialien mit lebensweltlichem Bezug erstellt.

Die zweite Phase des Förderschwerpunkts (ab 2022) widmet sich dem Transfergedanken. Erfolgreich erprobte Kooperationsmodelle und Konzepte lebensweltlich orientierter Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit werden weiterentwickelt und verbreitet. Im Besonderen ist es das Ziel, Beratungs-, Verweis- und Unterstützungsstrukturen unter Einbindung sozialräumlicher Partner zu festigen und Grundbildungsangebote mit Lebensweltbezug im Sozialraum langfristig in das Portfolio von Bildungsanbietern zu integrieren.