Frage: „Frau Frey, Frau Vahlhaus, am 8. Mai startet zum ersten Mal die von den Projekten „AlphaGrund vernetzt“ und „BasisKomNet“ entwickelte Weiterbildung zum Grundbildungscoach. Was ist das genau?“
Isabel Vahlhaus (Projektleiterin AlphaGrund vernetzt): „Die Weiterbildung ist eine Qualifizierungsreihe, die sich an Trainerinnen und Trainer sowie Bildungsplanende und Beschäftigte in der Personalarbeit richtet. Wir wollen den Teilnehmenden Basiswissen und -informationen an die Hand geben und sie für das Thema sensibilisieren. Sie sollen erste Erfahrungen in der Entwicklung von Grundbildungsangeboten sammeln, um selbst in Unternehmen gehen, den AoG-Prozess begleiten und konkrete Angebote für Beschäftigte konzipieren und umsetzen zu können.“
Frage: „Was sind denn ganz konkret die Aufgaben eines Grundbildungscoaches?“
Isabel Vahlhaus: „Es gibt unterschiedliche Rollen. Auf der einen Seite sind die Trainerinnen und Trainer, die direkt mit den Beschäftigten mit Grundbildungsbedarf arbeiten, also die Grundbildungsschulung entwickeln und umsetzen. Auf der anderen Seite sind die Bildungsplanenden, die beispielsweise die Akquise betreiben, Kontakte mit Unternehmen knüpfen, mit den Betrieben gemeinsam die Ziele eines möglichen Grundbildungsangebots besprechen und die Umsetzung planen und begleiten.“
Frage: „Welche Kompetenzen braucht man denn, um als Grundbildungscoach gut arbeiten zu können?“
Anke Frey (Projektleiterin BasisKomNet): „Es gibt kein standardisiertes Anforderungsprofil für AoG wie etwa in Österreich mit dem „Qualifikationsprofil Basisbildner/in“. Für die AoG sind wir im Prozess der Entwicklung. In großen Überschriften gesprochen braucht man Fachwissen für das Feld AoG: Was ist Grundbildung? Was ist arbeitsorientierte Grundbildung? Was sind die Grundprinzipien und Ziele? Was sind Rahmenbedingungen?
Dazu spielt bei der Frage nach Kompetenzen auch die professionelle Wertehaltung eine Rolle. Welches Menschenbild habe ich? Ganz konkret: Sind beispielweise Geringqualifizierte eine Gruppe, bei der ich sage, es ist mir total wichtig mitzuhelfen, dass diejenigen an Bildung teilhaben – oder habe ich eigentlich lieber Lust auf Trainings mit Führungskräften?
Dazu kommt noch berufspraktisches Wissen und Können. Wie mache ich Betriebsakquise? Wie steuere ich den Prozess? Welche Kompetenzen in der Kommunikation brauche ich? Den letzten Kompetenzbereich könnte man mit ‚professioneller Selbststeuerung‘ beschreiben. Zur Professionalisierung gehört ja auch immer dazu, zu reflektieren, was ich tue. Bin ich auf dem richtigen Weg? Wie gehe ich mit Kritik um? Wie gehe ich mit meinen Ressourcen um? Das ist ja auch ein großes Thema, das alle betrifft.“
Frage: „Letztlich geht es also um eine Professionalisierung im Bereich der arbeitsorientierten Grundbildung?“
Anke Frey: „Genau. Unser Feld ist kein standardisiertes Feld und auch kein Regelangebot. Im Gegensatz zur Alphabetisierungsarbeit, wo dies ja seit Jahrzehnten der Fall ist. In der AoG gibt es daher bislang auch keine standardisierte Weiterbildung, es gab punktuelle Angebote.“
Frage: „Braucht es deshalb die Weiterbildung?“
Frey: „Wir haben aus mehreren Gründen das Thema aufgegriffen. Unsere Organisationen - vor allem die Kolleginnen und Kollegen vor Ort, die die praktische Arbeit machen - haben jetzt mittlerweile viele Jahre Erfahrung in der AoG. Daher macht es Sinn, die Erkenntnisse zu nutzen, nach außen zu tragen und weiterzugeben. Wir brauchen vor allem Nachwuchs. Wir haben in der AoG immer Probleme, Trainerinnen und Trainer zu finden. Es ist nämlich alles andere als trivial, im Betriebskontext zu arbeiten.“
„Der Bedarf ist in der Arbeitswelt definitiv da“
Frage: „Wie sind Sie denn auf die Idee zur Weiterbildung gekommen? Und besonders auf die Idee, den Weg gemeinsam im Projektverbund zu gehen?“
Isabel Vahlhaus: „Unsere Projekte arbeiten schon länger zusammen. Wir waren immer im regelmäßigen Austausch und haben gemerkt, dass wir beide die gleichen Probleme bei der Durchführung von Grundbildungsangeboten haben – beispielsweise Trainerinnen und Trainer zu finden. Besonders für die ländlichen Regionen gibt es Schwierigkeiten, überhaupt Trainerinnen und Trainer zu finden, die qualifiziert und dann auch noch bereit sind, angesichts von zum Teil sehr langen Anfahrtswegen, das Angebot vor Ort in den Betrieben durchzuführen.“
Frage: „Wie haben Sie sich denn die Arbeit bei der Entwicklung der Weiterbildung aufgeteilt?“
Anke Frey: „Wir haben das sehr partnerschaftlich gemacht, weil eben die Arbeit vom Grundsatz her sehr ähnlich ist. Wie kriegt man den Fuß in die Tür beim Betrieb? Was macht man konkret in den verschiedenen Branchen, in denen der Bedarf an Grundbildungsangeboten hoch ist? Es gibt ein ‚Team Orga‘, in dem wir den Gesamtprozess im Auge behalten. Bei der konkreten Entwicklung der sieben Module haben wir geschaut, wer in dem jeweiligen Thema besondere Expertise mitbringt und Interesse hat, das Thema durchzuführen.“
Frage: „Was waren denn die größten Herausforderungen, denen Sie begegnet sind?“
Anke Frey: „Natürlich mussten wir uns erst einmal in der inhaltlichen Kooperation zusammenfinden. Auch wenn auf der regionalen Ebene immer schon eine Zusammenarbeit und regelmäßige Austausche zwischen Arbeit und Leben und den Bildungswerken der Wirtschaft stattgefunden haben, war das auf der Steuerungsebene neu. Das ist eine Herausforderung.
Die größere Herausforderung liegt noch auf einer anderen Ebene: Wir sind mit vollem Enthusiasmus dabei, wir schulen Menschen. Die bekommen ein Zertifikat, gehen aus der Weiterbildung mit vielen Informationen raus und haben idealerweise im Anschluss Lust, in der AoG zu arbeiten. AoG findet derzeit jedoch ausschließlich in Projektförderung statt, es gibt noch keinen Markt für die Trainerinnen und Trainer oder Bildungsplanende. Wir hoffen natürlich – auch mit Blick auf die gesamte AlphaDekade – dass im Sinne der Verstetigung das Segment AoG auch in Zukunft existieren wird. Der Bedarf ist jedenfalls in der Arbeitswelt definitiv da."
„Wir haben unterschiedliche Schwerpunkte in den Zugängen, die sich gut ergänzen“
Frage: „Ihre beiden Projekte arbeiten sozialpartnerschaftlich zusammen. Inwieweit hat sich dies bewährt?“
Isabel Vahlhaus: „Wir haben unterschiedliche Schwerpunkte in den Zugängen, die sich gut ergänzen: wir die Arbeitgeberseite, Arbeit und Leben die Gewerkschaftsseite. Letztendlich ist wichtig, dass diese Parteien im Betrieb zusammenarbeiten, um das Thema voranzutreiben und zu verstetigen. Wenn beide Seiten offen für dieses Thema sind, weckt das auch Vertrauen bei den Beschäftigten. Dieses Zusammenspiel ist einfach wichtig. Es gab jedenfalls keine Vorbehalte in unseren Organisationen. Es ist ja einfach so, dass wir ein gemeinsames Ziel haben: Die arbeitsorientierte Grundbildung voranzutreiben und in die Unternehmen zu bringen.“
Anke Frey: „Wir haben gesagt, wir wollen uns gemeinsam für das Thema stark machen. Unsere Zusammenarbeit soll auch das abbilden, was idealerweise auf der betrieblichen Ebene passiert. Nämlich dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Sinne der Beschäftigten an einem Strang ziehen.“
Frage: „Gibt es denn weitere Themen im Bereich der arbeitsorientierten Grundbildung, in denen sich ein sozialpartnerschaftlicher Ansatz lohnen würde?“
Anke Frey: „Definitiv. Das haben wir uns auch auf unsere Fahnen geschrieben. Wir haben beispielsweise im letzten Jahr eine Online-Konferenz zum Thema AoG durchgeführt. Organisiert aus dem Projekt „BasisKomNet“ heraus, aber auch in Kooperation mit dem Team von „AlphaGrund vernetzt“, das mit einem Workshop vertreten war.
Und egal, an wen man mit dem Thema herankommen will: Es ist immer sehr hilfreich, wenn ganz unterschiedliche Beteiligte dabei sind. Die Bildungswerke der Wirtschaft haben gegebenenfalls andere Zugänge zu Unternehmensnetzwerken oder zu Branchenverbänden – wir dagegen gegebenenfalls zu Einzelgewerkschaften oder betrieblichen Interessenvertretungen. Ich glaube, dass wir ein gutes Bindeglied sein können, um bei Veranstaltungen Leute an einen Tisch zu bekommen. Und dann reden die Personen miteinander und stellen fest: Wir haben die gleichen Probleme. Das klingt ganz banal, aber manchmal wohnt man acht Jahre in einem Haus und kennt den Nachbarn nicht – bis sich eben mal einer vorstellt.“