Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Universität Hamburg haben auf der Jahreskonferenz der AlphaDekade 2019 die neue Grundbildungsstudie „LEO 2018 - Leben mit geringer Literalität" vorgestellt. Demnach leben in Deutschland rund 6,2 Millionen Deutsch sprechende Erwachsene, die allenfalls bis zur Ebene einfacher Sätze lesen und schreiben können.
Im Vergleich zur ersten Erhebung 2010 ist eine Verbesserung zu sehen. Als eine Ursache stellten die Forscherinnen und Forscher die veränderte Zusammensetzung der Bevölkerung vor: So haben sich Bildungsstand und Erwerbstätigkeit in Deutschland erhöht. Der demografische Wandel sorgt dafür, dass in den jüngeren Altersgruppen weniger gering Literalisierte hinzukommen – obwohl ihr Anteil innerhalb der jeweiligen Gruppe konstant bleibt. Neu Zugewanderte wurden in der LEO-Studie nicht erfasst.
Wer bereits grundlegende Schreibkompetenzen hatte, hat sich weiter verbessert
Deutlich sichtbar ist aber auch der Einfluss einer besseren Alphabetisierung und Grundbildung in Deutschland. Vor allem auf den höheren Alpha-Levels ist zu erkennen, dass Menschen ihr Lesen und Schreiben verbessert haben. Wer hingegen nur einzelne Wörter lesen und schreiben kann, bleibt für Lernangebote schwer erreichbar. „Der Rückgang ist ein toller Erfolg für alle, die an der AlphaDekade beteiligt sind“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im BMBF, Christian Luft, bei der Eröffnung der Konferenz im Kosmos Berlin. „Wir dürfen nun aber nicht nachlassen. 6,2 Millionen Menschen, die nicht richtig lesen und schreiben können, sind immer noch viel zu viele.“
Ähnlich äußerte sich der derzeitige Präsident der Kultusministerkonferenz, der Hessische Kultusminister Prof. Dr. Alexander Lorz. Prävention bleibe eine entscheidende Aufgabe, sagte er. „Es gibt Maßnahmen, die wirken. Aber sie brauchen einen langen Atem.“
Kein Ausschluss von gesellschaftlicher Teilhabe – aber ein Risiko der Verdrängung
Im Anschluss an die Vorstellung der Studienergebnisse hatten die rund 450 Teilnehmenden der Konferenz die Möglichkeit, einzelne Aspekte der Studie in den Fachforen der Konferenz zu vertiefen. So hat das Forscherteam etwa einen neuen Begriff eingeführt: Da „funktionaler Analphabetismus“ häufig stigmatisierend empfunden werde, sei es angebrachter, von „Menschen mit geringer Literalität“ zu sprechen, sagte die wissenschaftliche Leiterin des LEO-Forschungsteams, Prof. Dr. Anke Grotlüschen. „Wir reden nicht von Menschen, die keinen Stift halten können, sondern von Menschen, die sich unterschiedlicher literaler Praktiken bedienen.“
LEO 2018 hat erstmals untersucht, wie diese Praktiken aussehen und wie Menschen mit geringer Literalität ihren Alltag gestalten. So vermeiden Menschen mit geringer Literalität eher Tätigkeiten, die digitale Technik voraussetzen, zum Beispiel Online-Banking. Familiäre Anlässe und die Verbesserung beruflicher Chancen sind hingegen wichtige Auslöser, fehlende Literalität nachzuholen. Das LEO-Forscherteam geht daher davon aus, dass sich die Angebote der Alphabetisierung und Grundbildung – an denen nur 0,7 Prozent der gering Literalisierten teilnehmen - weiterentwickelt werden müssen: hin zu individuell passenden Lernsettings, die den Ausbau von Alltagskompetenzen mit literalem Training verbinden.