MOVE

Motivation und Verbindlichkeit im Alltag von Erwachsenen mit Grundbildungsbedarf

beendet , Forschung

Beim Arzt, im Fitnessstudio, beim Amt, bei der Arbeit – dass man zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Ort sein muss, gehört für die meisten Menschen selbstverständlich zum Alltag. Auch im privaten Kontext verabreden wir uns und lassen unsere Freunde nicht gern warten. Dennoch gibt es Situationen, in denen wir eigentlich verbindliche Vereinbarungen nicht eingehen, Termine nicht einhalten und andere „versetzen”. Das passiert auch im Kontext von Alphabetisierung und Grundbildung, wenn Menschen, die besser lesen und schreiben lernen wollen, Kurse frühzeitig abbrechen oder zu Lernangeboten gar nicht erst erscheinen können.

Ausgangslage, Zielsetzung und Forschungsfragen

Mit dem Forschungs- und Entwicklungsprojekt „MOVE - Motivation und Verbindlichkeit im Alltag von Erwachsenen mit Grundbildungsbedarf” untersucht das Institut für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen, warum und unter welchen Bedingungen Verabredungen und Verbindlichkeiten eingehalten bzw. nicht eingehalten werden. Das interdisziplinäre Forschungsteam knüpft damit an die Ergebnisse aus dem ebenfalls durch die AlphaDekade geförderten Projekt „REACH“ an und möchte Erkenntnisse darüber gewinnen, wie Lernangebote zielgruppengerechter gestaltet werden können.

Das Projektteam betrachtet den Alltag von gering literalisierten Erwachsenen und untersucht, was sie motiviert, in welchen Zusammenhängen sie Verabredungen treffen und Verbindlichkeiten eingehen, und von welchen Faktoren es abhängt, ob sie diese einhalten oder nicht. Ziel ist es, Bedingungen zu identifizieren und Verhaltensmuster zu erkennen. Werden Termine eher eingehalten, wenn es um die Kinder geht? Wird ein Kurs eher bis zum Ende besucht, wenn Freunde mitmachen? Welche Rolle spielen Storno- oder Ausfallgebühren, z. B. wenn man nicht zur Physiotherapie kommt?

Maßnahmen und Vorhaben, Umsetzung und Zwischenziele

Diese ersten qualitativen Sondierungsschritte wurden im Sommer 2021 durchgeführt und lieferten wertvolle Einblicke und Anregungen: Während Verbindlichkeit in einigen Lebensbereichen eine sehr große Rolle zu spielen scheint, ist sie in anderen Bereichen nahezu ohne Bedeutung. Erzählen gering literalisierte Personen von ihrem Alltag, oder Akteure der Alphabetisierung und Grundbildung von entsprechenden Lehr- und Lernkontexten, zeigt sich, dass verbindliches Verhalten vielschichtig und stets abhängig von dem jeweiligen Kontext ist, in dem es gezeigt wird.

In einer quantitativen, für Erwachsene mit formal geringer Bildung repräsentativen, Befragung zu alltagsbezogener Verbindlichkeit im Frühjahr 2022 wurden zielgruppenspezifischen Faktoren, individuelle und situative Bedingungen, die es begünstigen, dass Menschen mit Grundbildungsbedarf Verbindlichkeiten eingehen und einhalten, identifiziert. Formal gering gebildete Erwachsene haben im Vergleich zur Gesamtbevölkerung teilweise ähnliche, teilweise aber auch in zentralen Punkten andere Wertvorstellungen. So ist es für sie beispielsweise deutlich seltener wichtig, gute Bildung oder einen guten Beruf zu haben. Außerdem sind sie deutlich seltener davon überzeugt, das eigene Schicksal in der Hand zu haben. Die quantitativen Daten bestätigen zudem, dass Verbindlichkeit kontextabhängig ist: Innerhalb ihres engeren privaten Umfelds sowie bei stark formal geprägten Terminen verhalten sich gering gebildete Personen verbindlicher als im weiteren privaten oder im beruflichen Umfeld.

Aus den Ergebnissen wurden dann konkrete Konsequenzen für Konzeption, Kommunikation und Durchführung von Angeboten der Grundbildung und Alphabetisierung abgeleitet. Diese Handlungsableitungen werden derzeit mit Trägern und Akteuren der Grundbildung sowie gering gebildeten Menschen in einem qualitativen Schritt besprochen und bewertet.

AlphaDekade-Konferenz 2023

Dokumentation des Fachforums und Video der Ergebnispräsentation

Das PDF der Ergebnispräsentation als Download

Träger des Projektes

Stiftung Lesen

Prof. Dr. Simone Ehmig

Römerwall 40
55131 Mainz

Telefon: 06131/ 2880-81

E-Mail: simone.ehmig@stiftunglesen.de

Johanna Leck

Römerwall 40
55131 Mainz

E-Mail: johanna.leck@stiftunglesen.de

Homepage: www.stiftunglesen.de