Im Hamburger Stadtteil St. Pauli wohnen viele Menschen, die nicht richtig lesen und schreiben können. Gleichzeitig ist die soziale, kulturelle und öffentliche Infrastruktur mit Stadtteilzentren, Gesundheitseinrichtungen oder sozialen Beratungsstellen im Kiez sehr gut ausgebaut. Die ließe sich noch besser für Alphabetisierung und Grundbildung nutzen, fand das Projekt „Neu Start St. Pauli“ – und brachte Erwachsene mit Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben, Einrichtungen und Angebote zusammenbringen.
Etwa 3.300 Erwachsene im Hamburger Stadtteil St. Pauli können zu wenig lesen und schreiben, um Briefe zu verfassen, Fahrpläne zu verstehen oder E-Mail-Programme zu nutzen. Viele von ihnen besuchen jedoch die Einrichtungen in ihrem Kiez. Als Beratungsstellen und Treffunkte sind etwa das Stadtteilzentrum „Kölibri“ der GWA St. Pauli oder das Mehrgenerationenhaus Flaks gut bekannt. Ihre Angebote reichen vom Stadtteilfrühstück über Medienwerkstätten bis hin zur Beratung in behördlichen Angelegenheiten.
In diesen alltäglichen Situationen hat das Projekt „Neu Start St. Pauli“ betroffene Menschen aufgesucht, angesprochen und zum Lernen motiviert. Ziel war es, Information, Beratung und flexible Lernangebote rund um das Thema „Alphabetisierung und Grundbildung“ miteinander zu verknüpfen. Die Angebote richteten sich an erwachsene Muttersprachlerinnen und Muttersprachler, aber auch an Menschen mit Migrationshintergrund, die sich mündlich bereits gut im Alltag verständigen konnten.
Die Schwerpunkte des Projekts waren:
Mehr öffentliches Bewusstsein schaffen
Das Thema Analphabetismus ist im Alltag ebenso weit verbreitet wie unbekannt. Gering Literalisierte behalten das Problem meist für sich, weil sie fürchteten, in der Gesellschaft auf Unverständnis zu stoßen. Ihr Umfeld weiß auch eindeutige Symptome oft nicht richtig zu deuten. „Neu Start St. Pauli“ ging daher mit kostenlosen Workshops auf Arztpraxen, Kitas, Schulkollegien, Behörden, Vereine oder Beratungsstellen zu. Dort beriet das Projekt zum Thema Grundbildung, damit haupt- und ehrenamtlich Beschäftigte Menschen mit Lernbedarf erkannten, ansprachen, unterstützten und gegebenenfalls in ein geeignetes Lernangebot weiterleiteten.
Mehr Lernende erreichen
Das Projekt suchte die Einrichtungen im Stadtteil auf, um direkt mit potenziellen Lernenden in Kontakt zu kommen.Im vertrauten Umfeld beriet „Neu Start St. Pauli“ zu Lernbedarf und Lernangeboten, die persönliche Interessen und Lernziele aufgriffen. Als Kooperationspartner haben die GWA St. Pauli und das Mehrgenerationenhaus Flaks bereits zugesagt. Die Akquise weiterer Kooperationspartner erfolgte in der ersten Projektphase.
Flexible Lernräume öffnen
„Neu Start St. Pauli“ entwickelte Lernangebote für Einzelpersonen und Kleingruppen, die sich dort durchführen lassen, wo sich die Betroffenen im Alltag aufhalten. Die Angebote orientierten sich an den individuellen Lernbedürfnissen, Interessen und an der Lebenswelt der Teilnehmenden. Das konnten Lese-, Schreib- und Rechenkurse, mobile Selbstlernangebote an PC, Tablet oder Smartphone sein, bei Bedarf aber auch Koch- oder Führerscheinkurse, die Lese- und Schreibanreize über ein Interessensgebiet vermittelten. Zu jedem Angebot gehörten eine Erstberatung und Lernstandsdiagnostik. Gemeinsam lagen die Lehrkräfte des Projekts und Teilnehmende überschaubare Lernziele fest, die motivierend wirkten. Dabei ging es nicht um Zertifikate oder Abschlüsse. Zunächst standen der Abbau von Ängsten und Lernhindernissen, die Integration von Lernen in den Alltag und die Schulung von Grundkompetenzen im Mittelpunkt.