
Gute Integration in den Arbeitsmarkt – jedoch mehrheitlich in geringer qualifizierten Berufen
In LEO 2018 wird unter Arbeit mehr als der Arbeitsplatz verstanden. So werden auch Personen zum Thema Arbeit befragt, die unentgeltliche Arbeit leisten oder nicht erwerbstätig sind. Christoph Stammer von der Universität Hamburg stellt die wesentlichen Ergebnisse vor.
Gering literalisierte Erwachsene sind mehrheitlich gut in den Arbeitsmarkt integriert. „Die Beschäftigungsquote ist unter den gering literalisierten Erwachsenen im Vergleich zur LEO-Studie aus dem Jahr 2011 von 57% auf 62% gestiegen,“ schildert der Wissenschaftler der Universität Hamburg ein Kernergebnis der Studie. Geringe Literalität kann nicht mit fehlendem Berufsabschluss gleichgesetzt werden. 42% der gering literalisierten Erwachsenen haben eine betriebliche Lehre oder eine Berufsfachschule abgeschlossen, verrichten jedoch eher einfache Tätigkeiten in Berufen, die keine Ausbildung erfordern. Obwohl viele gerne einen anderen Beruf hätten, schätzen sie die Chancen des beruflichen Fortkommens geringer ein als die Gesamtbevölkerung.

Arbeit hat bei gering literalisierten Erwachsenen (87,5%) ebenso wie in der gesamten Erwachsenenbevölkerung (86%) eine starke sozialintegrative Funktion. „Arbeit ist wichtig, weil sie einem das Gefühl gibt, dazuzugehören“ beantworteten die beiden Gruppen nahezu identisch. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass sich über das Thema Arbeit positive Effekte für die Lernmotivation und Ansprache der Erwachsenen mit geringer Literalität herstellen lassen.
Mitarbeiterpotenziale stärker nutzen. Strategien zur Personalgewinnung überdenken.
Prof. Heike Solga vom Wissenschaftszentrum Berlin und Beiratsmitglied der LEO-Studie deutet die höhere Beschäftigungsquote bei gering literalisierten Erwachsenen erst einmal positiv. „Der Wirtschaftsaufschwung konnte auch die Personen mit geringer Literaltität mitnehmen, wenn sie auch nicht in dem Maße profitiert haben wie die Gesamtbevölkerung.“ Sie hebt hervor, dass viele gering literalisierte Menschen in Positionen zu finden sind, die keinen Berufsabschluss erfordern. Hier besteht ein Mismatch, den es mit entsprechenden Qualifizierungsmodellen und Arbeitsmarktinstrumenten aufzulösen gilt.

Prof. Dr. Solga empfiehlt den Unternehmen, die vorhandenen Potenziale der Beschäftigten mit Lese- und Schreibschwierigkeiten noch stärker als bisher zu erschließen. Auch den Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sollte ermöglicht werden, sich die deutsche Sprache anzueignen, damit sie ihre erworbene Qualifikation anwenden können.
Nachfrage nach Grundbildung bei Unternehmen steigt. Weitere Transferarbeit notwendig.
Rolf Klatta vom Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft in Darmstadt bietet seit einigen Jahren Grundbildungsangebote für Betriebe an, die im Projekt AlphaGrund entwickelt und erprobt werden. „Wir beobachten, dass Betriebe verstärkt Grundbildungsangebote nachfragen. Diesen Trend hat auch eine Unternehmensbefragung des IW Köln bestätigt. Bei uns in der Region herrscht quasi Vollbeschäftigung. Zur Sicherung des Fachkräftebedarfs und im Zuge von Auditierungen qualifizieren deshalb immer mehr Betriebe ihre Beschäftigten weiter. Dafür bieten wir auf den Betrieb zugeschnittene Grundbildungsangebote an.“ schildert Rolf Klatta seine Erfahrungen aus der Praxis, die durch die Ergebnisse der neuen LEO Studie größtenteils bestätigt werden.

Obwohl Arbeitgeberverbände sich dem Thema Grundbildung verstärkt angenommen haben, ist noch weitere Informations- und Überzeugungsarbeit bei Betrieben notwendig, um die Grundbildung in Regelstrukturen der betrieblichen Weiterbildung zu überführen.
Grundbildungsangebote als Zugang zu weiterer Qualifizierung
Grundbildungsangebote sind für Geringqualifizierte häufig auch ein Einstieg für die Teilnahme an weiteren betrieblichen Weiterbildungsangeboten. Die starke Abschlussorientierung in der dualen Berufsausbildung sieht Rolf Klatta als Hindernis, Menschen mit geringen Schriftsprachkompetenzen in den Arbeitsmarkt zu integrieren und weiter zu qualifizieren. Hier sind neue arbeitsmarktpolitische Förderinstrumente – beispielsweise durch die Arbeitsagentur – notwendig, um die Grundbildung von der Projektförderung in Regelstrukturen zu überführen.
Moderation
Kai Sterzenbach, Lernende Region Netzwerk Köln e. V.
Präsentation der LEO-Ergebnisse und wissenschaftlicher Kommentar
Christopher Stammer, Universität Hamburg
Prof. Dr. Heike Solga, Wissenschaftszentrum Berlin, Sprecherin des LEO-Beirates
Reflexion aus der Praxis
Rolf Klatta, Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e. V.