
Vorlesen ist eine Investition in die Zukunft der Kinder
Eine Langzeitstudie der Universität Oxford hat ergeben, dass die Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, ein besserer Schulabschluss gelingt, als Kindern, denen nicht vorgelesen wurde. Viele Eltern wollen ihre Kinder unterstützen, aber sie trauen sich oft nicht vorzulesen, sagt Annette Langen, Lesebotschafterin der Stiftung Lesen. In 70 Prozent der deutschen Familien wird nicht mehr regelmäßig vorgelesen. Frühkindliche Leseförderung ist für die Kinderbuchautorin daher ein zentrales Anliegen. Bereits das frühe Vorlesen fördert Fantasie, Empathie und Konzentrationsfähigkeit der Kinder und das soziale Miteinander in der Familie mit langfristigen positiven Folgen. Sie fordert daher, dass Literaturerziehung in Kindergärten stärker verankert wird, wie dies beispielsweise in Australien geschieht. Auch Bibliotheken können mit ihren vielfältigen Angeboten dazu beitragen, dass Kinder Freude am Lesen entwickeln. Am Ende der AlphaDekade wünscht sich Frau Langen, dass Eltern erkennen, dass Vorlesen eine wichtige Investition in die Zukunft ihrer Kinder ist.
Politische Teilhabe durch neue Formate stärken
Ziel der politischen Bildung ist es, dass die Bürgerinnen und Bürger sich in politische Prozesse und Diskussionen einbringen. So sah der Leiter der Berliner Landeszentrale für politische Bildung, Thomas Gill, bereits nach der Veröffentlichung der ersten LEO-Studie die Notwendigkeit, die üblichen Informationsangebote wie Schriftmaterialien oder Veranstaltungsformate zu überdenken. Der „Alpha-Siegel“-Prozess hat in der Berliner Landeszentrale dazu beigetragen, dass Publikationen „sprachlich abgerüstet“ und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sensibilisiert wurden. Ebenso arbeitet die Landeszentrale daran, mit ihren Bildungsangeboten stärker hinauszugehen und so die Menschen in ihrer alltäglichen Umgebung zu erreichen. Über Angebote für Menschen mit geringer Literalität hinaus sieht Herr Gill die Notwendigkeit, die Einstellungen in der Bevölkerung gegenüber Menschen mit Einschränkungen zu verändern. Herr Gill wünscht sich des Weiteren, dass bestehende Instrumente der Bildungsfreistellung wie der Bildungsurlaub stärker für den Bereich der Grundbildung genutzt werden. Er sieht es als eine zentrale Aufgabe der politischen Bildung, die Teilhabe von Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten zu verbessern. Dies ist keine Anforderung an das Individuum, sondern an die Gesellschaft.
Sozialräumlicher Ansatz: Hilfe zur Selbsthilfe
Um mehr Erwachsene für Grundbildungsangebote zu gewinnen, ist es erforderlich, sie dort anzusprechen, wo sie mit ihren alltäglichen Fragen und Problemen anlanden. Thiemo Fojkar, Mitglied Vorsitzender des Vorstandes, erläutert, dass der Internationale Bund (IB) als Träger der sozialen Arbeit und beruflichen Bildung hier seine Angebote zum großen Teil in der aufsuchenden Arbeit habe. Dazu verfolgt der IB einen systemischen Ansatz, der Behörden und Kommunen mit sozialräumlichen Einrichtungen zusammenführt. Um Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten ist es erforderlich, dass die Kooperationsbereitschaft der verschiedenen Einrichtungen trotz Wettbewerbs gestärkt wird. Fojkar fordert, dass Abgrenzungen überwunden werden müssen, um Kompetenzen der jeweiligen Einrichtungen besser zusammenzuführen. Hier ist die Politik gefordert, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Auch ist umfassende Aufklärungsarbeit notwendig, um Stigmatisierungen vorzubeugen und die Menschen angemessen zu unterstützen. Soziale Einrichtungen bieten eine gute Basis für Lernmöglichkeiten. Hier geht es Herrn Fojkar auch darum, ehrenamtliches Engagement im Sozialraum zu nutzen und dieses in die Angebote einzubinden. Als Ergebnis der AlphaDekade wünscht sich Herr Fojkar die Etablierung von Regelstrukturen und mehr Investitionen in diesem Bereich.
Betriebliche Grundbildung als Erfolgsfaktor
Ein Gelingensfaktor der arbeitsorientierten Alphabetisierung und Grundbildung ist es, Lernangebote im Betrieb und damit an einem vertrauten Ort durchzuführen. Das Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft engagiert sich schon seit mehr als zehn Jahren im Bereich der arbeitsorientierten Grundbildung und hat dabei ein breites Netzwerk von Betrieben aufgebaut. Bastian Schmidt-Faber, Geschäftsführer des BWNW, führt aus, dass insbesondere modulare Angebote helfen, die Hürden zu senken und Beschäftigte zum Weiterlernen motivieren. Daran können sich weitere Qualifizierungsmaßnahmen anschließen. Herr Schmidt-Faber unterstreicht, dass die Unterstützung der Betriebsräte ein wichtiges Element für die nachhaltige Umsetzung von Grundbildungsmaßnahmen im Betrieb ist. Aus seiner Sicht muss die bereichsübergreifende Vernetzung der Akteure in der Zukunft weiter verstärkt werden, z.B. in Form einer Kontaktstelle, um eine bestmögliche Information zu verschiedensten Angeboten in der Arbeitswelt und der Lebenswelt und damit eine ganzheitliche Unterstützung zu gewährleisten. Seine Erwartungen zum Ende der AlphaDekade sind: 2 Millionen funktionale Analphabeten weniger in Deutschland, alle Akteure haben die Notwendigkeit von Alphabetisierung und Grundbildung erkannt und unterstützen die Aktivitäten auch über das Ende der Dekade hinaus.
Moderation
Armin Himmelrath
Diskutierende
Annette Langen, Kinder- und Jugendbuchautorin
Thiemo Fojkar, Internationaler Bund e. V.
Thomas Gill, Berliner Landeszentrale für politische Bildung
Bastian Schmidt-Faber, Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft gemeinnützige GmbH