Forum A: Arbeitsorientierte Grundbildung für Erwerbslose

AlphaDekade © BMBF/ bundesfoto/Kurc

AoG zielt auf Qualifizierungs- und Beschäftigungsfähigkeit

Gering Literalisierte haben ein erhöhtes Risiko langzeitarbeitslos zu werden. Wie und wo Erwerbslose gut erreicht werden können und welche Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden müssen, betrachtet Dominique Dauser in ihrem Impulsreferat aus Akteursebene sowie aus der Zielgruppenperspektive. Betrachtet man die Makroebene – Bund und Länder - so ist deutlich, dass die unterschiedlichen Zielsetzungen zur Förderung sozialer Teilhabe sowie Integration in den Arbeitsmarkt sich gegenseitig ergänzen. Auf der Mesoebene ist festzustellen, dass bereits vielfältige Netzwerke bestehen; was notwendig sei, ist die Erweiterung um AoG. Auch kommunale Einrichtungen könnten hier Zugänge für AoG schaffen und Beratung übernehmen. Schaut man auf die Mikroebene so stellt sich die Frage: wie funktionier Verweisberatung? Es handelt sich um hochkomplexe Strukturen: wie finden sich Geringliteralisierte in diesen Strukturen zurecht?

Zielgruppenperspektive

Die Gründe für den Erwerb von Grundkompetenzen und die Wahrnehmung von Lernangeboten können vielfältig sein: ein junger Hilfskoch mit Migrationshintergrund, der seine Schulbildung im Herkunftsland erworben hat, möchte eine Ausbildung machen; ein geringqualifizierter Gärtner ohne Schulabschluss möchte den Führerschein erwerben; eine Berufsrückkehrerin mit Hauptschulabschluss möchte als Sicherheitskraft arbeiten. Hürden abbauen und Zugänge zu Beratung verbessern könnten durch aufsuchende trägerneutrale (Verweis-)Beratung im Stadtteil und grundbildungssensibles Beratungspersonal und langfristige erreicht werden. Es braucht ganzheitliche Ansätze, so Dominique Dauser, d.h. individualisierte Beratung unter Berücksichtigung von individuellen Kompetenzen und konkreten Lernbedarfen mit Praxisbezug sowie das Aufzeigen von Anschlussmöglichkeiten für berufliche Weiterbildung. Dazu gehören auch die Neuausrichtung des Angebots – an AoG orientiert – sowie bestehende Fördermöglichkeiten für AoG nutzbar zu machen.

Qualitätssicherung von Beratungs- und Förderangeboten

Am Beispiel des Alpha-Siegel-Prozesses erläutert Lutz Neumann wie das Jobcenter Berlin Lichtenberg seit 2016 die Thematik geringe Literalität konzeptionell in der eigenen Einrichtung etabliert hat. Neben Lerner-Experten war auch das Alpha-Bündnis Lichtenberg an der Umsetzung beteiligt. Es braucht Partnerschaften, die das auch leben wollen. Das Thema muss insbesondere in den Teams der Vermittlungsfachkräfte verankert werden. Grundsätzlich gilt es jedoch für alle Teams mit Kundenkontakt, also zum Beispiel auch in der Leistungsbearbeitung und im Kundenportal. Im Jobcenter erfolgte dies mit „Alphalotsenden“ in allen Teams, die das Thema immer wieder sichtbar machen. Verweisberatung machen alle Beratungsfachkräfte zur VHS, Alpha-Telefon, GBZ u.a.. Das Siegel hat zum „Commitment“ der Einrichtung geführt – war vorher nicht so da, so Lutz Neumann. Als erforderlich angesehen wird eine „Brücke“ für Personen, die Grundbildung erwerben, aber noch nicht reif sind für eine abschlussbezogene Weiterbildung. Wichtig ist es, die einzelnen Schritte dorthin sichtbar zu machen und den Mehrwert für die Zielgruppe zu kommunizieren resp. die Grundbildungsmaßnahme professionell zu begleiten. Das Jobcenter Berlin Lichtenberg hat für alle Beschäftigte einen entsprechenden Leitfaden entwickelt. Die Herausforderung für Jobcenter seit der Corona-Pandemie ist, dass Arbeitsuchende nicht mehr so häufig physisch zur Beratung kommen. Das macht Beratung für bestimmte Personengruppen eher schwieriger.

Stärkung der Zusammenarbeit der Akteure

Dr. Sabine Schwarz berichtet einleitend vom Projekt AoG Köln (Arbeitsorientierte Grundbildung und Grundbildungsberatung in Köln). Im Projekt haben sich die Lernende Region Netzwerk Köln e.V. (LRNK), die Arbeitsmarktförderung der Stadt Köln und das Jobcenter Köln zusammengeschlossen. Zudem wird das Projekt von der Agentur für Arbeit Köln unterstützt. Die Projektpartner erproben dabei verschiedene förderfähige Grundbildungssettings und befassen sich mit der Aufgabe, grundbildungssensible Beratungs-, Unterstützungs- und Verweisstrukturen für Erwerbslose, Beschäftigte und Unternehmen in Köln weiterzuentwickeln. Dabei werde, so Schwarz, eine insgesamt bessere Passung didaktisch sinnvoller Grundbildungsansätze mit bestehenden arbeitsmarktpolitischen Förderrahmenbedingungen angestrebt. Aktuell entwickelt das Projekt beispielsweise ein grundbildungsorientiertes Qualifizierungsprogramm für Langzeitarbeitslose, die in einem Kölner Unternehmen einer geförderten Beschäftigung (SGB II 16 i) im Sicherheitsgewerbe nachgehen. Ziel der Qualifizierung ist u.a., dass die Beschäftigten bessere Chancen haben, die sogenannte Sachkundeprüfung nach § 34 GewO zu bestehen. Die Bestehens-Quoten sind aktuell gering. Mit einer bestandenen Sachkundeprüfung steigen auch die Möglichkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden. Sabine Schwarz betont nochmals, dass AoG immer dann erfolgreich ist, wenn die Grundbildungsangebote nicht von der Stange sind, sondern höchst individuell und gemeinsam mit den jeweiligen Unternehmen entwickelt wurden. Wie ein solches individualisiertes Vorgehen mit den Logiken der Arbeitsförderung zusammenkommen kann, bleibe spannend.

Weiterentwicklung von förderfähigen Arbeitsmarktprodukten

René Siegert von der Bundesagentur für Arbeit weist darauf hin, dass bezogen auf die Beratung von Jobcentern, Rahmen geschaffen wurden, um regional spezifisch agieren zu können. In der BA bestehe aus seiner Sicht weniger ein Erkenntnis- als ein Umsetzungsproblem. Strukturen sind vorhanden, aber auf kommunaler Ebene müssen Netzwerke das Thema aufgreifen: Wichtig sei, dass eine Beratungsfachkraft der BA gut vernetzt ist und auf lokale Akteure (und Grundbildungsangebote) verweise. Auf die Frage von Christine Biskamp wie die Vermittlung von Grundbildung stattfinden könne, verweist René Siegert auf Alphabetisierungskurse des Landes, wenn Arbeitssuchende sich auf einem niedrigen Alpha-Level befinden oder auf eigene Maßnahmen der Jobcenter. Bei Zuweisungen an Bildungsträger z.B. nach § 45 kann Schriftsprachförderung mit Berufsbezug angeboten werden. Mit der Bürgergeldreform soll die Anknüpfung von Grundbildung an nachholenden Schulabschluss gelockert werden, um auch Lernangebote ohne Abschluss zu ermöglichen. Bezugnehmend auf den eingangs angesprochenen ganzheitlichen Ansatz zu Beratung und Lernbegleitung ergänzt René Siegert, dass Coaching innerhalb einer Maßnahme in Anspruch genommen werden könne. Auch bei Maßnahmenwechsel solle die Lücke der ganzheitlichen Betreuung geschlossen werden.

Moderation:

Christine Biskamp, KOM gGmbH

Überblick zum Handlungsfeld:

Dominique Dauser, Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb)

Diskussion:

Lutz Neumann, Jobcenter Berlin Lichtenberg

Dr. Sabine Schwarz, Lernende Region Netzwerk Köln e.V.

René Siegert, Bundesagentur für Arbeit