Forum D: Arbeitsorientierte Grundbildung für junge Erwachsene im Übergang Schule-Beruf


Wie klappt der Übergang von Schule in Beruf, wenn der eigene Weg viele Kurven und Abzweigungen kennt? Mit welchen Instrumenten kann die Arbeitsförderung hier unterstützen? Darüber tauschten sich etwa 100 Teilnehmende des Forums „Arbeitsorientierte Grundbildung für junge Erwachsene im Übergang Schule-Beruf“ aus. Bundesweit verlasse etwa jeder zehnte junge Mensch die Schule ohne Abschluss, sagte Marina Sliwinski in ihrem Impulsreferat. Fühlung halten, Perspektiven erarbeiten, Einstieg begleiten: Das sei die Aufgabe der Förderung nach SGB III. Grundbildungsbedarf lasse sich hier unterschiedlich gut einbinden.

Jedes Bundesland hat eine eigene Förderpraxis

Eine Herausforderung sei der Ausstieg des Bundes aus der Förderung der Berufseinstiegsbegleitung (§ 49 SGB III) gewesen. Die intensive und mehrjährige Begleitung von der frühen Berufsorientierung bis in die erste Station nach Ende der Schulpflicht hinein sei besonders für junge Menschen mit Grundbildungsbedarf das richtige Instrument gewesen. „Doch nur wenige Länder haben den Bedarf erkannt und die Förderung übernommen“, so Marina Sliwinski.

Dafür gebe es seit diesem Jahr ein neues Konzept für die Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BVB, § 51 SGBIII). Grundbildung sei nun ausdrücklich als Bedarf anerkannt. Auch in Maßnahmen wie der Einstiegsqualifizierung (§ 48 SGB III), den Aktivierungsmaßnahmen für Jüngere (§ 45 SGB III) oder im Rahmen der geförderten Ausbildung und Ausbildungsunterstützung ließe sich ein Grundbildungsbedarf aufgreifen – wenn denn die Fachkräfte einen solchen Bedarf richtig einschätzen könnten und ihren Spielraum zu nutzen wüssten.

Die Antwort Hamburgs: Gleichzeitiges Lernen in der Schule und im Betrieb

Diese Kompetenzen sind jedoch innerhalb des Fördersystems ungleich verteilt. Das wurde in der anschließenden Diskussionsrunde deutlich. Um dieser Zufälligkeit zu entgehen, habe die Hansestadt Hamburg das Setting der Ausbildungsvorbereitung komplett vereinheitlicht und dualisiert, sagte Birgit Kruse vom Hamburger Institut für berufliche Bildung. Alle jungen Menschen, die nach dem Schulabschluss noch keine begründete Berufsentscheidung getroffen haben, erhalten eine Einladung in die gleiche Maßnahme.

Die dualierte Ausbildungsvorbereitung verbindet nach einer Grundorientierung das Lernen an der Schule (2 Tage/ Woche) mit dem Lernen in einem Betrieb (3 Tage/ Woche). Ein möglicher Grundbildungsbedarf falle so auf und könne arbeitsplatznah bearbeitet werden. „Abholen, motivieren und in schulische Bildungsprozesse einbinden, das sind unsere Ziele. In Hamburg wissen wir, wo die jungen Menschen nach ihrem Schulabschluss verbleiben“, so Birgit Kruse.

Nach Corona gibt es mehr Aufmerksamkeit für Berufsorientierung – und Grundbildung

Eine solche enge Begleitung befürwortete auch Birgit Kwasniok, Referentin für Produktentwicklung Förderung bei der Bundesagentur für Arbeit. Mit den vorhandenen Instrumenten gingen die Jugendberufsagenturen sehr unterschiedlich um. „Aber wir sind uns einig, dass wir die Jugendlichen mit Förderbedarf schon in der Schule abholen müssen.“ Corona habe den Bedarf der jungen Menschen stark verändert. Die Berufsorientierung sei zwei Jahre lang nur schwer möglich gewesen. Auch Lücken in der Grundbildung erfahren derzeit viel Aufmerksamkeit. Das Fachkonzept der BA sehe einen enge Dialogprozess vor, dem neben den Jobcentern und Jugendberufsagenturen auch die Fachkräfte der Bildungsträger angehören.

Die fehlende Berufsorientierung bemerke auch die Jugendhilfe, bestätigte Liane Bley vom Internationalen Bund Baden. „Wir registrieren einen geringeren Willen, in die Ausbildung zu gehen.“ Von den Einschränkungen durch Corona sei die gesamte Peer Group betroffen. Der Austausch untereinander sei geringer gewesen. Vorbilder seien entfallen. Zudem mussten die jungen Menschen seit Ausbruch der Pandemie viele Themen bewältigen; die abrupte Umstellung auf digitale Bildung etwa. „Es gibt viele Jugendliche, die haben kein Handy und keinen Vertrag. Die sind einfach rausgefallen.“

Erst wieder pünktlich sein, dann Lesen, Schreiben und Rechnen trainieren

In Maßnahmen wie der Berufseinstiegsbegleitung werde mit vielen zunächst ein ganzes Jahr lang trainiert, überhaupt wieder pünktlich zu sein, jeden Tag in den Bus zu steigen und regelmäßig dahin zu kommen, wo sie erwartet werden. Ein Vorbereitungsjahr schließe sich an, welches sich stark an den Grundbedarfen der Ausbildungsreife orientiere. Inhalte seien Lesen, Schreiben, Rechnen, Produktentwicklung, Präsentieren. Das Besondere: eine konsequente Orientierung an Projekten, nicht an Bildungsplänen, die abzuarbeiten sind. „Hier waren viele Partner in den Betrieben erstmal skeptisch. Heute sagen sie, dass sie es nicht mehr anders haben wollen.“

Verstetigung zwischen Bewusstsein, Einzelfallhilfe und Regelförderung

Aber all das sind und bleiben Pilotprojekte; mal finanziert durch die AlphaDekade, mal durch die Länder. Uneinigkeit herrschte in der Frage, wie sich Grundbildung systematisch beim Übergang von der Schule in den Beruf verankern ließe. Während Birgit Kruse einen wachsenden Bedarf an Einzelfallhilfe nach § 16a SGB III sah, führt für Birgit Kwasniok kein Weg an einer Regelförderung für Instrumente der außerschulischen Grundbildung vorbei.

Marina Sliwinski und ihre Kollegin Liane Bley wünschten sich eine grundlegende Sensibilisierung im System der Arbeitsförderung, wie viele junge Menschen ohne ausreichend Grundbildung die Schule verlassen; ob mit oder ohne Abschluss. Für den Internationalen Bund in Baden habe sich der Erwerb des AlphaSiegels ausgezahlt. Das ist ein Qualitätsmanagementsiegel für Organisationen, die sich für die Zugänglichkeit von Menschen mit geringen Lese- und Schreibkompetenzen engagieren. Beim IB Baden gebe es nun ein gemeinsam geteiltes Verständnis zur Thematik, sagte Liane Bley. „Wir können dadurch nicht nur junge Menschen mit Grundbildungsbedarf besser wahrnehmen. Wir sind auch in unserem Alltag permanent damit beschäftigt, Barrieren abzubauen.“

Moderation:

Klaus Weber, Bundesinstitut für Berufsbildung

Überblick zum Handlungsfeld:

Marina Sliwinski, Internationaler Bund

Diskussion:
Birgit Kruse, Hamburger Institut für Berufliche Bildung
Liane Bley, Internationaler Bund Baden
Birgit Kwasniok, Bundesagentur für Arbeit