Arbeitsorientierte Grundbildung in Aus- und Weiterbildungsstrukturen verankern – wie kann es funktionieren?

AlphaDekade © BMBF/ bundesfoto/Kurc

AoG – eine individualisierte Dienstleistung

Zu Beginn der Diskussion betont Frau Menke die Notwendigkeit, das Augenmerk für Weiterbildungsmaßnahmen weitaus stärker als bisher auf die Gruppe der Geringqualifizierten zu richten. Eine wesentliche Grundvoraussetzung dafür sei es, die Tätigkeiten, die sie im Betrieb umsetzen, wahrzunehmen und wertzuschätzen. Die Zahlen zeigen, dass es in der Masse sehr viel weniger Angebote für Geringqualifizierte und gering Literalisierte als für höher Qualifizierte gebe.

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Für die Zielgruppe der gering literalisierten Beschäftigten gehe es zuvorderst darum, in der Ansprache sensibel zu sein und ihre Berührungsängste mit Lernangeboten abzubauen. Ebenso haben sich auf das Unternehmen zugeschnittene Lernangebote bewährt, die an den jeweiligen Arbeitsanforderungen im Betrieb und individuellen Kompetenzen der Beschäftigten ansetzen. Es sei wichtig, dass der Arbeitgeber schnell Verbesserungen sehe, z.B. in den Arbeitsabläufen, in der Kommunikation intern oder mit der Kundschaft. Diese Erfahrungen, so Dr. Janßen, seien eine wichtige Grundlage dafür, dass AoG langfristig in betriebliche Personalentwicklungsmaßnahmen einmünden kann.

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AoG – ein Baustein zur Fachkräftesicherung

Arbeitsorientierte Grundbildung könne ein erster Baustein zur Fachkräftesicherung sein. Es sei jedoch unbestritten, dass die Qualifizierung von gering literalisierten Beschäftigten und Arbeitssuchenden einen langen Atem braucht. Dieser Prozess müsse begleitet und gefördert werden. Die Bundesregierung habe in den letzten Jahren mit verschiedenen Gesetzen einen Schwerpunkt auf die Qualifizierung von Arbeitslosen und Beschäftigten gelegt. Die Bundesagentur für Arbeit entwickele sich folgerichtig immer stärker zu einer Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung weiter, so Herr Friedrich. Das Förderinstrumentarium der BA bietet schon aktuell viele Möglichkeiten Grundkompetenzen zu fördern. Im Rahmen der Umsetzung des aktuellen Koalitionsvertrages wird es darüber hinaus erhebliche Veränderungen in der Beschäftigtenqualifizierung geben. So werden Grundkompetenzen im Rahmen des §81 SGB III zukünftig bereits mit den Aussichten auf eine Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit förderfähig, bisher war die Förderung an eine abschlussbezogene Weiterbildung gekoppelt.

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AoG braucht Beratung, Vernetzung und Kooperation vor Ort

Frau Menke betont, dass ein sozialpartnerschaftlicher Ansatz, in dem sowohl die Perspektive der Unternehmen als auch die der Beschäftigten berücksichtigt werden, eine Grundvoraussetzung für gelingende Grundbildung im Betrieb sei. Neben den Sozialpartnern gehörten aus ihrer Sicht auch die Organisationen der allgemeinen Weiterbildung zu der Akteurslandschaft der arbeitsorientierten Grundbildung dazu, da sie in den letzten Jahren in diesem Bereich wichtige Expertise entwickelt hätten. Frau Menke und Herr Janßen sind sich einig, dass es ein breites Akteursnetzwerk für arbeitsorientierte Grundbildung brauche. Wichtige Multiplikatoren seien Unternehmens- und Branchenverbände sowie Kammern und Innungen, um das Thema in die Unternehmen zu tragen.

Die OECD-Studie hat verdeutlicht, dass Deutschland über eine vielfältige und umfangreiche Förderstruktur für die berufliche Weiterbildung verfügt. Gleichzeitig, so Prof. Dr. Heister, sei die Vielfalt an Maßnahmen für den Einzelnen nicht überschaubar. Die Podiumsteilnehmenden sind sich einig, dass es daher auf regionaler Ebene Beratungs- und Vernetzungsstrukturen brauche, um die bisherigen Erfahrungen vor Ort in eine Regelförderung zu überführen. Dabei sei es auch wichtig, die unterschiedlichen Bereiche der Weiterbildung (betrieblich, beruflich, allgemein) besser miteinander zu verzahnen und so die Durchlässigkeit stärker zu fördern. Neben der Arbeitsförderung der BA gebe es auf Länderebene viele Instrumente, die auch für arbeitsorientierte Grundbildung genutzt werden könnten, so Dr. Janßen. Hier bedürfe es jedoch einer Anpassung der Fördervoraussetzungen.

Was kommt nach den Modellprojekten der AlphaDekade?

Viele Fragen bleiben offen: Welche Anbieter wollen und können nach Ende der Pilotprojekte arbeitsorientierte Grundbildung durchführen? Wer nimmt die Funktion des Kümmerers ein - der die Zugänge zu den Betrieben öffnet, die Beratungskompetenz hat, Netzwerke schafft und konkrete Angebote anstößt? Wie kann das individuelle, auf den einzelnen Betrieb zugeschnittene Bildungsmanagement zukünftig finanziert werden? Es ist Konsens, dass die Arbeitsgruppe der Nationalen Weiterbildungsstrategie mit den Akteuren auf Bundes- und Länderebene eine Lösung für diese Fragen finden muss.

Moderation:

Dr. Julia Kropf, freie Moderatorin

Teilnehmende:

Thomas Friedrich, Bundesagentur für Arbeit

Prof. Dr. Michael Heister, Bundesinstitut für Berufsbildung

Dr. Janßen, Bildungswerk der nordrhein-westfälischen Wirtschaft e.V.

Barbara Menke, Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben e.V.