Institutionen bestimmen soziales Handeln
Prof. Dr. Schemmann nähert sich dem Thema mit einer theoretischen Grundlegung des Begriffs „Institution“. Demnach sind Institutionen auf Dauer angelegt und bestimmen, „was sein muss“, d.h. sie schränken die Beliebigkeit sozialen Handelns ein und repräsentieren bestimmte gesellschaftlich etablierte sinnhafte Orientierungen. Institutionen zeichnen sich durch vier Elemente aus: einer anerkannten Leitidee (im Falle von AoG: Bildung und Teilhabe), spezifischen Akteurskonstellationen, Regeln des Umgangs und einem materiellen Apparat.
Anhand des Mehrebenenmodells beleuchtet Herr Prof. Dr. Schemmann die verschiedenen Faktoren und Akteurskonstellationen, die arbeitsorientierte Grundbildung Erwachsener möglich machen. Neben der Leistungsebene, auf der die Angebote (inkl. der Lernenden und Lehrenden), deren Nutzung und die daraus hervorgehenden Erträge zu verorten sind, ist die Ebene der Organisation zentral. Hier findet sich das Bildungsmanagement in den Einrichtungen wie Volkshochschulen, Bildungswerke der Wirtschaft usw. Auf der nächsten Ebene ist das Umfeld der Organisation angesiedelt: Betriebe, die Institutionen der Arbeitsförderung, aber auch Branchenverbände und Alpha-Bündnisse. Die bildungspolitischen Akteure auf nationaler Ebene (BMBF, Länder, Kommunen) und auf supranationaler Ebene (EU) bilden weitere zwei Ebenen. Entscheidend für ein Gelingen arbeitsorientierter Grundbildung ist das Interagieren dieser Ebenen.
Impulse für eine Institutionalisierung von AoG sind gesetzt
Schaut man auf die Ebene der Bildungspolitik, so hat das BMBF in den letzten Jahren wichtige Impulse für eine Institutionalisierung arbeitsorientierter Grundbildung gesetzt, so Schemmann. Dies wird deutlich an den verschiedenen Schwerpunkten der Förderlinien, die angefangen von der Erschließung des Feldes und der Entwicklung von betrieblichen Lernangeboten über die Professionalisierung bis hin zur Verzahnung arbeitsorientierter Grundbildung mit bestehenden Beratungs- und Förderstrukturen fokussiert haben. Die erfolgreiche Institutionalisierung auf der bildungspolitischen Ebene ist auch daran erkennbar, dass das Thema der arbeitsorientierten Grundbildung in der Nationalen Weiterbildungsstrategie prominent vertreten ist.
Aber auch die Länder nehmen eine wichtige Rolle ein und setzen Landes – und ESF-Mittel für arbeitsorientierte Grundbildung ein. Die von der Uni Köln durchgeführten Fallstudien zeigen, dass die Strukturen und die Akteurskonstellationen in diesem Bereich in den Ländern sehr unterschiedlich ausgeprägt sind und die Angebote in Bezug auf ihre Reichweite und Intensität stark variieren.
Institutionalisierung braucht Kümmerer und Kümmererinnen
Zum Schluss seines Vortrags wendet sich Herr Prof. Dr. Schemmann dem Begriff des Kümmerers oder der Kümmererin zu, der in den Diskussionen auf der Konferenz wiederholt zur Sprache kam. Theoretisch lässt sich dieser Begriff mit dem Neo-Institutionalismus als „institutional entrepreneur“ fassen. Anhand des Konzeptes von Perkman & Spicer verdeutlicht Herr Schemmann, dass der Kümmerer oder die Kümmererin auf allen Ebenen des Mehrebenenmodells im Wesentlichen an drei Zielsetzungen arbeitet: 1. Akteure zusammenbringen, Interessen ausgleichen, Koalitionen schmieden; 2. Probleme identifizieren und Lösungen entwickeln; 3. Gemeinsame Identität entwickeln und Angebote gestalten. Anhand dieser Aufgaben lassen sich auch die Fähigkeiten ablesen, mit denen der Kümmerer oder die Kümmererin ausgestattet sein muss. Das Konzept des „institutional entrepreneurs“ lädt daher dazu ein, das eigene Handeln in diesem Bereich zu reflektieren und Forschungsfragen zu konkretisieren.
Abschließend stellt Herr Prof. Dr. Schemmann fest, dass Institutionalisierung eine Daueraufgabe bleibt, die sich mit den jeweiligen Rahmenbedingungen kontinuierlich weiterentwickelt. Er sieht daher die dringende Notwendigkeit, die Diskussion um die Frage, was nach der AlphaDekade kommt, zu eröffnen.