Nach einer kurzen Einführung in das Thema durch Dr. Sabine Schwarz erläutern Dr. Natalie Pape, Prof. Dr. Wibke Riekmann und Prof. Dr. Bremer das Forschungsdesign des Projekts GABO und die zentralen Forschungsfragen. In den drei Teilprojekten wurden Interviews und Gruppendiskussionen mit Teilnehmenden und professionell Tätigen in Maßnahmen der Jugendberufshilfe und der arbeitsorientierten Grundbildung geführt. Basierend auf den ersten Forschungsergebnissen, die vorerst hauptsächlich für den Bereich der Jugendberufshilfe vorliegen, wurden drei Thesen zur Diskussion gestellt.
These 1: Generative Themen sind Grundbildungsthemen
Grundbildung sollte auch generative Themen einschließen, d.h. Themen, die für die Lebenswirklichkeit und den (Arbeits-)Alltag der Teilnehmenden grundlegend sind. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass die Grundbildungsbedarfe von Jugendlichen neben den fachlichen Inhalten insbesondere auch in Fragen der alltäglichen Lebensführung liegen wie Wohnungssuche, Lebenshaltungskosten etc. Olaf Rother bestätigt, dass die Lebenswirklichkeit der Teilnehmenden in der Jugendberufshilfe einen zentralen Platz einnehme. Die Jugendlichen befänden sich in einer Lebensphase, in der sie erstmals mit den Anforderungen der Arbeitswelt konfrontiert werden und gleichzeitig wichtige biografische Weichenstellungen selbst gestalten. Es gelte anzuerkennen, dass Lernen nie isoliert stattfindet, sondern immer integriert in die – mitunter prekäre und herausfordernde – Lebenswirklichkeit der Teilnehmenden.
These 2: Die Berücksichtigung der lebensweltlichen Perspektive fördert Selbstbestimmung und Teilhabe
Auch in den Maßnahmen der arbeitsorientierten Grundbildung nehme die Lebenswelt der Teilnehmenden einen zentralen Platz ein, und es sei wichtig, ihren Themen und Interessen Raum zu geben, so Ute Köhler. Die Erfahrungen der arbeitsorientierten Grundbildung zeigten, dass lebensweltliche Themen in der arbeitsorientierten Grundbildung durchaus anschlussfähig seien. So werde zurzeit im Rahmen des AlphaDekade-Projekts BasisKomNet das Thema Gesundheit in arbeitsorientierten Grundbildungsmaßnahmen integriert, so Anke Frey. Neben betrieblichen Anforderungen (Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz) ginge es hier auch um Arbeitsbedingungen wie bspw. Stress- und Arbeitsbelastung. Je besser es gelinge, diese lebensweltlichen Themen in den Lernprozess zu integrieren, desto größer sei die Lernmotivation und damit auch der Lernerfolg.
These 3: Das pädagogische Handeln ist milieuspezifisch gefärbt
Die Forschungsergebnisse zeigen, dass die pädagogisch Tätigen in der Jugendberufshilfe durchweg ein erweitertes Grundbildungsverständnis in ihre Tätigkeit einbringen. Neben der Vermittlung fachlicher Kenntnisse werden Selbstkompetenzen, der Umgang mit Technik oder Geld oder aber Systemwissen adressiert. Gleichzeitig wird deutlich, dass das Spannungsfeld zwischen der Maßnahmenlogik (Jugendberufshilfe) und den betrieblichen Anforderungen (Arbeitsorientierte Grundbildung) einerseits und dem Anspruch, auf die subjektiven Bedarfe der Teilnehmenden einzugehen andererseits, die professionell Tätigen stark unter Druck setzt. Es erfordere eine hohe Sensibilität und kommunikative Kompetenz, mit den teils heterogenen bis widersprüchlichen Ansichten und Anforderungen aufseiten der verschiedenen Akteure umzugehen.
Wie sie mit diesen Anforderungen umgehen, wird maßgeblich durch die milieuspezifischen Passungsverhältnisse zwischen den Teilnehmenden und den professionell Tätigen bestimmt, so Prof. Dr. Bremer. Lehrende und Lernende gehören oftmals sehr unterschiedlichen sozialen Milieus an und haben in ihrem jeweiligen Herkunftsmilieu einen bestimmten Habitus erworben, der z.B. eine Affinität zu Bildung aufweist oder auch nicht. Eine reflektierende Auseinandersetzung mit dieser Unterschiedlichkeit ist eine notwendige Voraussetzung, um eine verstehende Haltung für die Milieus und Lebensverhältnisse der Teilnehmenden zu entwickeln. Die Forschungsergebnisse für den Bereich der Jugendberufshilfe deuten darauf hin, dass ein Teil der professionell Tätigen ihren Handlungsspielraum erweitert, um die Interessen der Teilnehmenden stärker zu berücksichtigen und mehr Nähe zu ihnen herzustellen. Administrative Vorgaben werden dabei teilweise in den Hintergrund gedrängt (subversive Handlungslogik).
Abschließend verweist Dr. Sabine Schwarz auf das GRETA-Kompetenzmodell, das als Referenzmodell für die professionelle Handlungskompetenz von Lehrenden aus allen Bereichen der Erwachsenen- und Weiterbildung entwickelt wurde und die unterschiedlichen und vielfältigen Kompetenzfacetten sehr gut abbilde.
Moderation:
- Dr. Sabine Schwarz, Lernende Region Köln e.V.
Input:
- Prof. Dr. Helmut Bremer, Universität Duisburg-Essen
- Dr. Natalie Pape, Leibniz Universität Hannover
- Prof. Dr. Wibke Riekmann, Medical School Hamburg
Diskussionsrunde
- Prof. Dr. Helmut Bremer, Universität Duisburg-Essen
- Anke Frey, Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben
- Torsten Klaucke, Internationaler Bund
- Ute Köhler, freiberufliche Trainerin
- Olaf Rother, Internationaler Bund