Fachforum H: Mehrwert von arbeitsorientierter Grundbildung

Zwei Männer und eine Frau auf dem Podium, rechts daneben die Moderatorin © BMBF / Heidi Scherm
v.l.: Axel Rahm, Dietmar Schulz, Yvonne Hertog, Sabrina Stadler

Anhand der übergreifenden Frage, welcher Mehrwert aus Investitionen in Dienstleistungsmaßnahmen der arbeitsorientierten Grundbildung bei Lernenden, Unternehmen oder Kursleitenden resultiert, beschreibt Frau Professor Dr. Schepers in ihrem Inputvortrag zunächst den gewinnbringenden Beitrag, grundsätzlich über Geld zu sprechen, da es eine gemeinsame Sprache sei, die sowohl die pädagogische als auch unternehmerische Denkrichtung überein bringen könne.

„Wir wollen heute einmal über Geld sprechen“

Das Sprechen über Geld oder monetäre Werte seien folglich Ausgangspunkt für mögliche Perspektiven in der Zusammenarbeit und Schnittstellenfindung in dem spezifischen Grundbildungsfeld. Bei der Beschreibung der im Rahmen der Forschungsarbeit entstandenen hypothetischen Wirkungsketten wird branchenspezifisch deutlich, dass der Mehrwert multidimensional sei und sich auf unterschiedlichen Ebenen abbilden ließe

Zum Outcome zählen beispielsweise die Verbesserung der Sprachkenntnisse oder der Kommunikation innerhalb des Betriebs. Im Anschluss an die Darstellung von exemplarisch für die Bau-, Recycling- und Pflegebranche aufgestellten Kosten von Beispiel-Grundbildungskursen in „Best- und Worst Case Scenarios“ schließt das Projekt als Impact auch nicht-monetäre Folgen wie Rahmenbedingungen und externe Faktoren in seine Berechnungen ein. In der Achse der Relevanz der nicht-monetären Posten können Frust sowie Beschwerden der Kundschaft festgehalten werden, Kunden können in der Folge abwandern oder auch das Image des Betriebs kann geschädigt werden. Neben dem Fachbegriffsverständnis auf der einen Seite spielen auch Arbeitssicherheit und der Gesundheitsschutz der Belegschaft auf der anderen Seite eine entscheidende Rolle.

Die Relation zwischen Investition und Mehrwert zeigt eine positive Bilanz

Eine Frau beim Vortrag © BMBF / Heidi Scherm
Prof. Dr. Claudia Schepers bei ihrem Vortrag

Die in der Präsentation abgebildeten Kosten seien keine feststehenden Werte, betont Frau Schepers. Jedoch könne man mit dem dargestellten branchenspezifischen Kurs den Regler auf dem Kontinuum beeinflussen, d.h. die Kurse würden ihren Beitrag dazu leisten, dass die Kosten im besten Fall in die positive Richtung runtergeregelt werden könnten. Vor dem Hintergrund des sich noch im finalen Analyseprozess befindlichen Forschungsprojekts resümiert sie schließlich, dass die Gewichtung und das Zusammenspiel der monetären und nicht-monetären Faktoren relevant seien und individuelle Herausforderungen je Branche und Szenario eine unmittelbare Auswirkung auf die Kosten hätten. Nicht zu vergessen sei, dass die arbeitsorientierten Grundbildungsmaßnahmen durch die Dienstleistungen der Bildungsträger bedarfsorientiert zugeschnittene Angebote seien, und zeitgleich darin ein hohes Potential liege, Fachsprache und Bildung zu verknüpfen, um letztlich den Mehrwert vollumfänglich entfalten zu können.

„Die Schulungen sind etabliert seit dem ersten Tag“

In der anschließenden Podiumsrunde berichten drei Praxisvertreterinnen und -vertreter aus ihrem Betriebsalltag, von ihren Erfahrungen sowohl mit der Zielgruppe der gering literalisierten Beschäftigten als auch von der bisher erfolgreichen Umsetzung von konkreten Grundbildungsangeboten. Veranlassung in der 60 Mitarbeitenden-starken Firma Bau Rahm war die aufgrund des Fachkräftemangels insbesondere international aufgestellte Belegschaft. Mit dem Partner TA Schwäbisch Gmünd vor Ort als Bildungsträger werden erfolgreich in den Betriebsräumlichkeiten bereits langjährig Grundbildungsangebote insbesondere zum Thema Bau-Sprache umgesetzt und sind mittlerweile etabliert.

Doch wie lässt sich der Pflicht als Unternehmer begegnen, trotz anstrengenden Arbeitsalltags aller den Beschäftigten eine gewisse Fürsorge entgegenzubringen, an einer Weiterbildung teilzunehmen und gleichzeitig zu gewährleisten, dass auch ein Lernerfolg dabei stattfinden kann? Für Dietmar Schulz von der Firma Karle Recycling in Stuttgart steht fest, dass die Wertschätzung und Anerkennung von seinen 200 Mitarbeitenden sowie die Niedrigschwelligkeit der Grundbildungsangebote von höchster Relevanz sei. Er berichtet von dem Schulungsangebot für seine Mitarbeitenden, welches im Anschluss an die Arbeitszeit in den Betriebsräumen angeboten wird und auch positive Effekte mit sich bringen würde, wie der sozialen Kommunikation und Austausches innerhalb des Teams. Der Mehrwert werde von der Zielgruppe erkannt. Zur Motivationssteigerung einer Teilnahme, die freiwillig bleibt, hat die Firma Karle Recycling beispielsweise ein Anreizsystem geschaffen wie die Gutschrift der Weiterbildungszeit auf das Arbeitszeitkonto bei regelmäßiger Teilnahme und Verkürzung der Arbeitszeit an Schulungstagen.

In der Pflege spielen insbesondere die nicht-monetären Folgen eine große Rolle.

Zwei Männer und eine Frau auf dem Podium © BMBF / Heidi Scherm

Der Faktor Zeit und Kommunikation spielt auch in der Pflegebranche eine entscheidende Rolle. Konsequenz von gering literalisierten Angestellten ist hier insbesondere, dass neben den möglichen Auswirkungen auf die Patienten durch eine schlechtere Versorgung in einem Pflegeteam auch nicht-monetäre Folgen im Team entstehen können wie Frust, Unzufriedenheit oder gar Rassismus.

Frau Yvonne Hertog unterstreicht die Relevanz des Onboardings und die Etablierung eines gesonderten siebenmonatigen Grundbildungskurses an der Deutsches Herzzentrum Berlin Akademie, finanziert durch die Pflegedirektion und teils aufgefangen durch Förderinstrumente. In der Zeit, in der die Mitarbeitenden noch als Pflegehelfer gelten, werden sie refinanziert durch das Pflegeberufegesetz. Der Theorieteil wird durch die AZAV-Zertifizierung gedeckelt. Herausforderungen wie unterschiedliche Nationalitäten und besondere fachliche Anforderungen gilt es hier auch durch Stärkung von sogenannten Soft Skills zusammenzubringen und eine Bindung zum Team zu festigen.

Bildungsträger müssen Unternehmen ansprechen, um den Transferprozess in Gang zu bringen.

Einig sind sich alle Podiumsteilnehmende branchenübergreifend: Eine offene Willkommenskultur im Unternehmen oder Bildungsinstitut und die Flexibilität der Tageszeit der Grundbildungskurse sind unerlässlich. Erfolge sollten durch „Unternehmer-Botschafter“ weitererzählt werden, jedoch seien beispielsweise Volkshochschulen aktuell keine Partner für Unternehmen aufgrund der fehlenden aufsuchenden Arbeit und entsprechenden Modelle, hebt Dietmar Schulz hervor. Förderlich bei der Auswahl von Dozierenden ist neben dem interkulturellen Verständnis auch das Mitbringen von sowohl Fach- als auch Laiensprache, um den Lernenden passgenau beide Sprachen vermitteln zu können. Zeitdruck, eine hohe Auftragslage und die nicht vorhandene Transparenz über potenzielle Grundbildungsangebote führe noch zu oft dazu, dass Unternehmen zu spät einsteigen. Ausreichende Erkenntnisse in der Wissenschaft seien nun da, dennoch bliebe es Aufgabe der Politik, Programme und Ideen für den Transfer weiter zu unterstützen. Auch die proaktive, aufsuchende Arbeit der Bildungsträger sei weiterhin erforderlich, so die Praxisvertretenden. Und es darf auch was kosten, denn, so Dietmar Schulz: „Im Schwäbischen sagt man: Was nix kostet, ist nichts.“

Moderation:

  • Sabrina Stadler, Technische Akademie Schwäbisch Gmünd

Vortrag:

  • Prof. Dr. Claudia Schepers, APOLLON Hochschule der Gesundheitswirtschaft und Pädagogische Hochschule Weingarten

Diskussionsrunde:

  • Frau Yvonne Hertog, Deutsches Herzzentrum Berlin Akademie
  • Herr Axel Rahm, Firma Bau Rahm, Stuttgart
  • Herr Dietmar Schulz, Firma Karle Recycling, Stuttgart

Ergebnispräsentation im Vorfeld der Konferenz

Weitere Dokumente zu der Ergebnispräsentation