Rede der Berliner Bildungssenatorin und KMK-Präsidentin Katharina Günther-Wünsch

Katharina Günther-Wünsch spricht auf dem Podium der AlphaDekade-Konferenz © BMBF / Heidi Scherm

Sehr geehrter Herr Dr. Greiner,

meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

ich freue mich sehr, heute mit Ihnen die AlphaDekade-Konferenz 2023 zu eröffnen.

Ich begrüße alle angereisten Kolleginnen und Kollegen herzlich in Berlin und freue mich Sie alle hier als Präsidentin der Kultusministerkonferenz und auch als für das Thema Grundbildung zuständige Berliner Senatorin willkommen zu heißen. Sie haben sich hier einen großartigen Veranstaltungsort für die Konferenz in der Mitte Berlins herausgesucht – um über ein Thema zu sprechen, das leider zu oft am Rande steht.

Erwachsene, die nicht gut lesen und schreiben können, die also einen Grundbildungsbedarf haben, tragen dies in der Regel nicht offen vor, sondern verheimlichen ihr Problem. Viele Menschen versuchen, ihre Lese- und Schreibschwächen über einen längeren Zeitraum zu kaschieren, indem sie Strategien entwickeln, um unerkannt zu bleiben.

Diese Menschen führen oft ein normales Leben: mit festen Arbeitsplätzen, Familien und einem sozialen Umfeld.

Viele von ihnen haben die Schule besucht und eine Ausbildung absolviert. Und trotz der Integration in die Gesellschaft sind sie aufgrund ihres Grundbildungsbedarfs gezwungen, bei zahlreichen Themen am Rand zu verharren.

Katharina Günther-Wünsch spricht auf dem Podium der AlphaDekade-Konferenz © BMBF / Heidi Scherm

Wir sprechen oft über die offensichtlichen Beispiele:

  • wie den Anamnesebogen beim Arztbesuch,
  • das Kleingedruckte beim Abschluss eines neuen Handyvertrages oder
  • die unsicheren Klicks bei der Kontoeröffnung im Internet (sofern man sich dazu überwindet; andernfalls warten in der örtlichen Bank wiederum Papierformulare).

Es ergeben sich aber auch zahlreiche Probleme in Bezug auf die scheinbar selbstverständlichen Situationen am Arbeitsplatz.

Denken wir mal an:

  • das Lesen von Arbeitsverträgen und rechtlichen Dokumenten,
  • Arbeits-E-Mails,
  • das Ausfüllen von Formularen für den Arbeitsprozess.

Als Politikerin schaue ich aber auch auf die politischen Prozesse:

  • Analphabetismus wirkt sich erheblich auf die politische Teilhabe aus.
  • Menschen, die Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben haben, sind oft von entscheidenden politischen Prozessen und Informationen ausgeschlossen.
  • Dies beeinflusst ihre Wahlbeteiligung, da das Verständnis für politische Kandidaten und Programme oft eingeschränkt ist.

Und seien wir ehrlich – selbst in der Bildungspolitik scheinen die Angelegenheiten der Alphabetisierung und Grundbildung oft eher am Rande zu stehen, insbesondere, wenn wir über Schule, Ausbildung und Hochschule sprechen.

Daher ist es von besonderer Bedeutung, dass es regelmäßige Gelegenheiten gibt, diese Themen in den Fokus zu rücken und gemeinsam über Ziele, Ansätze, Wege und Erfolge im Bereich der Grundbildung zu diskutieren. Dafür sind die kommenden zwei Tage da, dafür ist diese Konferenz da – und darauf freue ich mich gemeinsam mit Ihnen.

Ein Teilnehmer fotografiert Katharina Günther-Wünsch bei ihrer Rede © BMBF / Heidi Scherm

Diese Konferenz findet, wie der Name bereits sagt, im Rahmen der „Nationalen Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung 2016-2026“ statt, die ein gemeinsames Vorhaben von Bund und Ländern, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Kultusministerkonferenz ist. Zudem sind viele zivilgesellschaftliche Partner im Kuratorium der Dekade versammelt und arbeiten gemeinsam mit uns daran, die Situation für Erwachsene mit Grundbildungsbedarf zu verbessern.

Insgesamt sind auch die Anstrengungen der Bundesländer im Bereich Grundbildung in den letzten zehn Jahren erheblich gestiegen, und das Engagement ist spürbar.

Aus Sicht der Berliner Bildungssenatorin, kann ich sagen: Berlin ist im Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung weit vorne. Wir setzen bereits geforderten Aspekte um, insbesondere durch die Schaffung nachhaltiger Strukturen in der Grundbildung. Hervorzuheben sind:

  • Die institutionelle Förderung für anerkannte Vereine wie „Lesen und Schreiben“ in Neukölln und den „Arbeitskreis Orientierungs- und Bildungshilfe“ in Kreuzberg.
  • Die Unterstützung der bezirklichen „Alphabündnisse“, die lokale Netzwerkstrukturen aufbauen, um das Thema Grundbildung bekannt zu machen und Akteure vor Ort zu vernetzen.
  • Die Förderung des Grund-Bildungs-Zentrums Berlin (GBZ) als Kompetenzzentrum, das alle Aktivitäten im Bereich Grundbildung begleitet, für die Sensibilisierung der Öffentlichkeit eintritt, mit Lernenden arbeitet und das „Alpha-Siegel“ vergibt.
  • Ein umfassendes Portfolio an Lernangeboten, unterstützt durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) und die Vielzahl an Angeboten von Volkshochschulen (VHS) sowie den ESF-geförderten „Lernhäusern an VHS“.
  • Die Entwicklung der „Landeskonzeption Alphabetisierung und Grundbildung“ durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie. Ein partizipativer Ansatz zur Stärkung und Verbesserung der Grundbildungsstrukturen vor Ort, insbesondere in den Bereichen Grundbildung und Arbeitsplatz/Arbeitsorientierte Grundbildung sowie der Zusammenarbeit mit Bundesagentur für Arbeit/Jobcentern.

Wir sind uns aber bewusst, dass wir noch weitere Anstrengungen unternehmen müssen:

  • die Rekrutierung von Teilnehmenden,
  • die kontinuierliche Umsetzung von Projekten und
  • das Erzielen nachweisbarer Lernerfolge sind Herausforderungen, die nicht leicht zu bewältigen sind.

All dies bedeutet, dass wir nicht bei den Erfolgen der vergangenen Dekade stehen bleiben dürfen, sondern uns bereits jetzt gemeinsam darum bemühen müssen, diese weiterzuführen. Das Jahr 2026 darf nicht das Ende der gemeinsamen Bemühungen im Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung sein – stattdessen bedarf es weiterhin zielgerichteter Anstrengungen von Bund, Ländern und allen Partnern, die sich gemeinsam dafür einsetzen.

Katharina Günther-Wünsch spricht auf dem Podium der AlphaDekade-Konferenz © BMBF / Heidi Scherm

Ziel muss es sein, die Erfolge, die begonnenen Projekte und die laufenden Förderprogramme als Basis zu nehmen, um verlässliche, dauerhafte Strukturen im Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung aufzubauen und abzusichern.

Dabei geht es nicht immer nur um mehr Geld, das haben wir auch in den letzten Jahren gelernt, sondern es geht um das geschickte, zielgenaue und nachhaltige Einsetzen der Mittel im Zusammenspiel der beteiligten Partner – hier sind Bund und Länder gefragt.

Die Einrichtungen und die Zusammenarbeit der AlphaDekade bilden eine Struktur, in der die Zusammenarbeit bereits gut funktioniert, wie wir auf dieser Konferenz sehen können. Es ist wichtig, diese Struktur beizubehalten. Ich wünsche uns allen, dass wir auch weiterhin auf dem Gebiet der Alphabetisierung und Grundbildung eng und effektiv zusammenarbeiten – über verschiedene Ressorts und Ebenen hinweg, mit verschiedenen Partnern und Einrichtungen.

Die Kontakte, die hier entstehen, die geteilten Arbeitsergebnisse und die neuen Ideen, die entwickelt werden, bilden eine wichtige Grundlage für unsere Arbeit.

Ich wünsche Ihnen und uns allen eine erfolgreiche und interessante AlphaDekade-Konferenz. Ein besonderer Dank geht an die Koordinierungsstelle der AlphaDekade, an Frau Küßner und ihr Team, für die hervorragende Organisation der Konferenz und ihre Arbeit im Vorfeld.

 Vielen Dank.