Landesstrategie
Grundbildung wird in Baden-Württemberg weiterhin als ressortübergreifende Landesaufgabe verstanden – sie umfasst nicht nur Bildungsaspekte, sondern auch gesellschaftliche, soziale, beschäftigungspolitische und individuelle Befähigungsdimensionen (Empowerment). Die Förderprogramme insbesondere des Kultusministeriums zielen darauf ab, erwachsene Bürgerinnen und Bürger mit unzureichender Grundbildung noch besser in die berufliche, soziale und ökonomische Teilhabe zu integrieren. Dabei gewinnen digitale Formate und innovative Kooperationsansätze zunehmend an Bedeutung.
Förderlinien
Das Kultusministerium Baden-Württemberg hat in den vergangenen Jahren die Grundbildung Erwachsener mit unterschiedlichen Maßnahmenpaketen unterstützt:
- Impulsprogramme I und II (2013/2014): Direkte Zuschüsse für die Umsetzung von Alphabetisierungskursen (Fördervolumen: 200.000 Euro bzw. 175.000 Euro).
- ESF-Projekt (ab 2015): Das Projekt „Alphabetisierung und Grundbildung als Weg zu Erfolg und Teilhabe in Beruf und Gesellschaft“ lief bis 2018 mit einem Fördervolumen von 1,26 Millionen Euro und legte den Fokus auf Arbeitsplatzorientierung.
- ESF Plus-Förderlinie „Ag KM Alphabetisierung und Grundbildung – KM Alpha ESF+“: Diese Förderperiode unterstützt seit 2022 Unterrichtsangebote für Erwerbstätige und strukturbezogene Maßnahmen (z. B. Grundbildungszentren, Landeskoordinierungsstelle). Die erste Phase wurde bis 2024 abgeschlossen mit einer Anschlussförderung in der zweiten Phase von 2025 bis 2027.
- Im Rahmen der Landesinitiative WEITER.mit.BILDUNG@BW wurde im Anschluss an Corona ein dreiteiliges Förderprogramm für die Grundbildung umgesetzt mit einer direkten Investitionsförderung für eine digitale Ausrüstung der Grundbildungszentren und Kurse, Entwicklung und Betrieb der Lernplattform DIGIAlpha (s.u.) sowie einem mehrjährigen Fortbildungsprogramm zur digitalen Didaktik und zum Einsatz von DIGIAlpha.
Fachstelle für Grundbildung und Alphabetisierung Baden-Württemberg
Die Landeskoordinierungsstelle im Rahmen der Nationalen Dekade dient als Anlaufstelle für Lernende, Weiterbildungsanbieter und Betriebe und verantwortet wesentliche Fort- und Weiterbildungsangebote für Lehrende in der Grundbildung.
Neben der klassischen Betreuung wird das Angebot zunehmend um digitale Komponenten erweitert. Die Finanzierung erfolgt über den Europäischen Sozialfonds und über Landesmittel.
Landesbeirat für Alphabetisierung und Grundbildung
Gegründet im Jahr 2017, arbeiten im Landesbeirat fünf Ministerien (Kultus, Wirtschaft, Soziales und Integration, Wissenschaft, Ländlicher Raum) sowie 33 bedeutende Verbände (darunter Arbeitgeberverbände, der DGB, der Volkshochschulverband Baden-Württemberg, kommunale Spitzenverbände und kirchliche Verbände) zusammen. Der Beirat unterstützt mit seinem breit gefächerten Netzwerk die Landeskampagne.
Grundbildungszentren
Nach einer einjährigen Pilotphase an zwei Standorten in 2018 wurden 2019 weitere Grundbildungszentren eingerichtet. Diese Zentren sind zentrale Informations- und Aktionsknotenpunkte, die – neben klassischen Kursangeboten – mittlerweile auch verstärkt digitale Bildungsformate integrieren. Für den Aufbau und die Pflege dieser Zentren stellte der Landtag im Zeitraum 2019 bis 2021 insgesamt 1,2 Millionen Euro bereit. Seit 2022 erfolgte die Finanzierung über ESF Plus-Mittel. Derzeit sind acht Grundbildungszentren in Betrieb (Mannheim, Rastatt, Ludwigsburg, Offenburg, Karlsruhe, Stuttgart, Ulm und Schwäbisch Gmünd), wobei lokale Kooperationen mit Unternehmen und Hochschulen weiter intensiviert werden. Die ESF-Finanzierung ist bis in das Jahr 2027 sichergestellt
Beispiele für weitere Maßnahmen
- DIGIalpha-Lernplattform: Seit Anfang 2023 ist die kostenfreie DIGIalpha-Lernplattform online. Entwickelt vom Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) in Nürnberg mit Mitteln des Kultusministeriums, wurde 2024 das Angebot um weitere Module zur Förderung digitaler Kompetenzen und zum Bereich Verbraucherschutz erweitert – ein Angebot, das sowohl Lernende als auch Lehrende adressiert.
- Bildungsjahr für erwachsene Geflüchtete (BEF Alpha): Seit Herbst 2016 wird das Bildungsjahr für erwachsene Flüchtlinge an 30 bis 35 Standorten im Land umgesetzt. Es ist Teil der Bildungskettenvereinbarung zwischen Bund und Ländern. Mit einem Kursumfang von 980 Unterrichtseinheiten und einem ergänzenden fünfwöchigen Berufspraktikum zielt die Maßnahme darauf ab, Voraussetzungen für eine positive Integration zu vermitteln und den Übergang in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Die Inhalte und Strukturen der Maßnahme wurden in den vergangenen Jahren kontinuierlich an die Bedürfnisse der Zielgruppe angepasst. Inhaltlich geht es um die Alphabetisierung und Sprachförderung, Berufsorientierung und digitale Grundbildung sowie Demokratiebildung und Alltagskenntnisse.
- Alpha-Siegel: Im Rahmen einer Kooperation mit dem Grundbildungszentrum Berlin wird das Alpha-Siegel als Zertifikat vergeben, das Institutionen als besonders zugänglich für Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten ausweist. Das seit 2015 in Berlin erfolgreich etablierte Konzept wurde gemeinsam weiterentwickelt. In Baden-Württemberg werden bis Ende 2025 ca. 35 Siegel verliehen sein.
- Pilotprojekt "Grundbildung am Bodensee – GAB": Das Pilotprojekt (2024–2026) richtet sich an Jobcenter-Kunden, deren unzureichende Grundkompetenzen ein Vermittlungshemmnis darstellen. In Kooperation von VHS Friedrichshafen und VHS Landkreis Konstanz mit den jeweiligen Jobcentern erfolgt eine 29‐wöchige, teilzeitliche Maßnahme (3×3 Std./Woche) mit individueller Beratung, Kompetenzdiagnostik und Kursunterricht in Sprache, Medien, Mathematik und Finanzen. Erste Ergebnisse: hohe Motivation, guter Zusammenhalt und positive Berufseinstiegsperspektiven. Das besondere Merkmal ist, dass diese Maßnahme maßgeblich aus den Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheinen der Jobcenter finanziert wird; das Kultusministerium finanziert während des Pilotprojekts eine 50%-Stelle zur Projektkoordination vor Ort.